"Es geht um Begegnung und Austausch auf Augenhöhe"
Erschienen in: theologie aktuell | Ausgabe 1 - Jahrgang 2025/26

Wie lange lehren Sie schon bei den Theologischen Kursen? Welches Fach tragen Sie bei den Theologischen Kursen vor?
Seit 2019 unterrichte ich bei den Theologischen Kursen das Fach Moraltheologie – und ich muss sagen: Es ist eine wunderbare Aufgabe. Warum? Weil dieses Fach weit mehr ist als eine Sammlung moralischer Gebote und Verbote. Es ist ein lebendiges Ringen um die Frage: Wie können wir heute – mitten im 21. Jahrhundert – gut, verantwortlich und glaubwürdig leben? Genau darin sehe ich meine Aufgabe: zu zeigen, dass Moraltheologie kein museales Relikt ist, sondern eine theologische Disziplin mit Gegenwartsbezug und gesellschaftlicher Relevanz.
Was ist Ihnen im Theologischen Kurs in Ihrem Fach besonders wichtig?
Mir ist wichtig, dass wir uns als Christen und Christinnen nicht vom Diskurs der Gegenwart abkoppeln. Im Gegenteil: Wir haben eine Perspektive – und die dürfen wir auch einbringen. Die Welt hat Fragen, wir haben Denkräume. Ich möchte, dass Studierende erfahren, dass christliche Moral weder naiv noch rückwärtsgewandt ist, sondern dass sie mit kritischer Reflexion, mit Leidenschaft und mit einem Blick für die Wirklichkeit verbunden ist. Und dass sie manchmal sogar die unbequemeren, aber ehrlicheren Antworten gibt.
Haben Sie selbst beim Lehren im Theologischen Kurs auch neue Einsichten gewonnen?
Was mich besonders freut: Die Studierenden bringen selbst viel mit. Jede und jeder Einzelne trägt eigene Erfahrungen, Fragen und Geschichten bei. Und genau das macht den Kurs so spannend. Ich lerne jedes Mal etwas dazu – manchmal ganz leise, manchmal in Form einer scharfsinnigen Frage oder eines unerwarteten Einwurfs. Diese Vielfalt an Perspektiven erweitert auch meinen eigenen Horizont. Lehren heißt für mich: sich öffnen, zuhören, ernst nehmen. Es geht weniger ums Belehren – es geht um Begegnung, um Austausch auf Augenhöhe.
Welche Erfahrung bei den Theologischen Kursen haben Sie in besonders guter Erinnerung?
Unvergessen bleibt ein Abend, an dem wir nach dem offiziellen Kursende noch über zwei Stunden weiterdiskutiert haben – ganz ohne Zeitdruck, ganz ohne Pflicht. Es war, als würde etwas in der Luft liegen. Vielleicht war es echtes Interesse, Leidenschaft für das Thema und ein Gefühl von Gemeinschaft? Oder doch einfach nur der Heilige Geist!? Solche Momente zeigen mir, wie lebendig Theologie sein kann.
Welche theologische Frage beschäftigt Sie zurzeit am intensivsten?
Die Frage, wie man Gott im eigenen Leben erfahren kann, ist sicher die Frage, die mich stets am intensivsten beschäftigt. Gestern, heute, morgen – immer wieder neu. Denn Gott ist keine fertige Antwort, sondern ein Weg, eine Bewegung, ein Suchen. Ich glaube, dass Gott sich zeigen will, aber eben nicht immer dort, wo wir ihn erwarten.
Von welcher/welchem Theologin/Theologen haben Sie am meisten gelernt?
Es gibt viele, aber einer, der in meinem theologischen Lebensweg immer wieder auftaucht, ist Yves Congar. Sein Denken über Kirche, Reform und Tradition hat Tiefgang und Weite. Congar war jemand, der nie einfach nachgeplappert hat, was üblich war, sondern theologisch gedacht und theologisch gerungen hat. Und ich bin tief überzeugt: Solche Stimmen brauchen wir heute mehr denn je.
Ihre aufregendste Bibelstelle?
Eine Bibelstelle, die mich seit Langem begleitet, ist Matthäus 5,20: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer...“ – Dieser Vers stellt vieles in Frage. Er fordert heraus, provoziert, zwingt zum Weiterdenken. Was heißt größere Gerechtigkeit? Was heißt es, nicht nur gerecht zu handeln, sondern gerecht zu sein – im Denken, im Fühlen, im Dasein? Jesus legt hier einen Anspruch von moralischem Handeln vor, das nicht bei äußeren Normen stehen bleibt, sondern das Herz herausfordert. Diese Stelle ist für mich wie ein Weckruf: wachsam bleiben, ehrlich sein – mit sich selbst und mit Gott.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Ich lese viel und bin ein bekennender Mehrfachleser – auf meinem Nachttisch liegen derzeit die Autobiografie von Papst Franziskus und daneben „In einem Zug“ von Daniel Glattauer. Ich mag es, zwischen den Welten zu wechseln – zwischen Tiefe und Leichtigkeit, zwischen Reflexion und Augenzwinkern.
Welche Musik hören Sie gerne?
Bei der Wahl meiner Musik bin ich stimmungsabhängig. Manchmal brauche ich Bach, manchmal Billie Eilish. Musik begleitet mich durchs Leben, aber ich lasse sie nicht in eine Schublade sperren.
Was machen Sie am liebsten in Ihrer Freizeit?
In meiner Freizeit habe ich gerne – freie Zeit. Nichts müssen, nur dürfen. Den Herrgott einen guten Mann sein lassen, wie man bei uns in Österreich so schön sagt. Mal lese ich, mal gehe ich spazieren, mal lasse ich mich einfach treiben – dorthin, wohin es mich weht. Ich glaube, Freizeit ist dann am schönsten, wenn sie nicht schon wieder einem Zweck dienen muss. Wahre Freiheit braucht Raum. Und manchmal auch Langeweile.
Wo fühlen Sie sich kirchlich zu Hause?
Kirchlich fühle ich mich überall zu Hause. Genau das ist für mich das Schöne am Katholischsein: Es ist universal – im ursprünglichen Sinn des Wortes. Eine weltumspannende Gemeinschaft, in der man überall zu Hause sein darf.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen ganzen Tag verbringen?
Wenn ich wirklich frei wählen dürfte, dann würde ich diesen Tag gerne mit dem Menschen Jesus verbringen. Nicht mit der großen Gestalt des Glaubens, sondern mit dem Jesus von Nazareth – dem, der gelebt, gelacht und gelitten hat. Ich würde ihm gerne ganz unmittelbar begegnen, mit ihm sprechen, mit ihm beten – und mit ihm schweigen.
Welches Ziel wollen Sie noch erreichen?
Ganz schlicht und gleichzeitig ganz anspruchsvoll: Ich möchte der beste Mensch werden, der ich sein kann. Nicht perfekt. Aber echt. Und wach. Und offen für das, was kommt.
Herzlichen Dank für Ihre Antworten!
Zur Person: MMMag. Alexander GADERER, geb. 1977, studierte Theologie, Philosophie und Religionspädagogik an der Universität Wien sowie am Institut Catholique in Paris. Von 2013 bis 2017 war er Universitätsassistent im Fachbereich Theologische Ethik der Universität Wien. 2018/19 verbrachte er einen einjährigen Forschungsaufenthalt an der University of Glasgow. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Phänomenologie, Laientheologie und Tugendethik. Seit 2019 lehrt er bei den THEOLOGISCHEN KURSEN Moraltheologie

