Der Verein der FREUNDE der THEOLOGISCHEN KURSE sieht es als seine Aufgabe, die THEOLOGISCHEN KURSE in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Erschienen in: theologie aktuell | Ausgabe 4 - Jahrgang 2024/25
Wie lange lehren Sie schon bei den THEOLOGISCHEN KURSEN?
Seit ca. 16 Jahren.
Was ist Ihnen im Theologischen Kurs in Ihrem Fach besonders wichtig?
Das Christentum zielt auf die Vergeistigung des Menschen. Daher ist es mir besonders wichtig, die Kursteilnehmer dazu anzuleiten, ihr Selbstverständnis zu hinterfragen und ihnen zu veranschaulichen, wie ihr Selbstverständnis ihr Gott- und Weltverständnis prägt. Der Mensch kann nicht auf körperliche oder kognitive Fähigkeiten reduziert werden. Er ist mit Rahner gesprochen auf Gott hin angelegt, also Geist in der Welt. Im Kurs geht es mir darum, die geistige Dimension des Menschen anzuleuchten, das Vertrauen der Teilnehmer in ihre eigene Geistigkeit zu stärken und sie anzuleiten, eine oft unbewusst eingeübte Identifizierung mit der Endlichkeit auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen.
Haben Sie selbst beim Lehren im Theologischen Kurs auch neue Einsichten gewonnen?
Da man nur philosophierend in die Philosophie hineinkommt, halte ich keinen Frontalunterricht, sondern lade zu einem Gespräch ein. Wenn es gelingt, die Kursteilnehmer mit ihrer eigenen Weisheit in Berührung zu bringen, ergibt sich eine Gesprächsdynamik, die uns alle bereichert. Jede bei den Teilnehmern bewirkte Horizonterweiterung weitet auch meinen Horizont.
Welche Erfahrung bei den Theologischen Kursen haben Sie in besonders guter Erinnerung?
Jaspers bezeichnete die Philosophie als Entschluss, den Ursprung wach werden zu lassen, zurückzufinden zu sich und im inneren Handeln nach Kräften sich selbst zu helfen. Ich freue mich sehr, wenn das im Kurs gelingt, wenn die Teilnehmer mit wach gewordenem Ursprung nach Hause fahren und im Philosophieren sich selbst ein Stück nähergekommen sind. Manche Teilnehmer berichteten mir bei der Prüfung, dass sie das Kurswochenende zur Selbsthilfe ermutigt habe, dass sie mit ihren Familienmitgliedern, Nachbarn oder Kollegen besser ins Gespräch kämen und sich dadurch sogar mancher Konflikt lösen konnte.
Welche theologische Frage beschäftigt Sie zurzeit am intensivsten?
Im Moment interessiere ich mich sehr für die christliche Mystik, denn ich glaube, dass sie nicht nur wie Rahner meinte für die Zukunft des Frommen von Bedeutung ist, sondern für die Zukunft der ganzen Menschheit. Ich erlebe immer wieder, dass Menschen ganz im Bann ihrer Endlichkeit stehen. Gegenwärtig begegnet uns die Endlichkeit in einer nie da gewesenen Radikalität. Vieles, was bisher als bewährt und beständig galt, bricht einfach weg. Angststörungen und Sinnkrisen sind die Folge. Da helfen Worte alleine oft nicht viel. Der Mensch braucht aus meiner Sicht nichts nötiger als die lebendige Erfahrung seiner Unendlichkeit, seines von allen äußeren Gegebenheiten unberührten Aus- und In-Gott-Seins. Die Mystik lehrt uns Wege dorthin. Es liegt in unserer Verantwortung, unser wahres Selbst zu erforschen, und uns für die Gegenwart Gottes offen zu halten. Das heißt lieben zu lernen!
Von welcher/welchem Theologin/Theologen haben Sie am meisten gelernt?
Schwer zu sagen, aber ich glaube am meisten gelernt habe ich wohl von Meister Eckhart, der nicht nur ein großer Theologe, sondern auch einer der wichtigsten Philosophen des Abendlandes war. Seine Schriften, vor allem seine Predigten und das Buch der göttlichen Tröstung, haben mich schon in meiner Jugend fasziniert, und mich durch manche Schwierigkeiten und Glaubenskrisen hindurch begleitet.
Ihre aufregendste Bibelstelle?
Eine Bibelstelle an die ich in letzter Zeit häufig denke, ist das Buch Hosea. Hoseas Liebe zu seiner Frau ist unabhängig von Gefühlen. Es gelingt Hosea allem Leid und aller Enttäuschung zum Trotz, die Kraft der Liebe nicht aus den Augen zu verlieren und auch dann noch Gott am Werk zu sehen, wenn für andere Menschen längst alles verloren scheint. Seine Liebe zu seiner Frau lässt uns die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen erahnen. Das macht Mut und gibt Hoffnung.
Welches Buch lesen Sie gerade?
„Mit den Augen der Liebe - Nachfolge Christi mit Thomas von Kempen“ von Eknath Easwaran
Welche Musik hören Sie gerne?
Je nach Stimmung: Pop, Soul, Jazz aber auch klassische Musik und Sakralmusik.
Was machen Sie am liebsten in Ihrer Freizeit?
Ich verbringe meine Freizeit sehr gerne in der Natur, beim Radfahren, Wandern oder Schwimmen. Besonders gerne arbeite ich in meinem Garten.
Wo fühlen Sie sich kirchlich zu Hause?
Mein Mann und ich sind schon in jungen Jahren gerne nach Taize gefahren. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das gemeinsame Singen und Beten eröffnet einen Raum, in dem sich Ökumene wie von selbst ereignet. Ganz im Sinn von Matthäus 18: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen ganzen Tag verbringen?
Ich habe vor einigen Jahren das Jesus-Gebet für mich entdeckt. In dieser Zeit entstand der freilich unerfüllbare Wunsch, einmal einige Zeit bei den Mönchen am Berg Athos verbringen zu dürfen.
Welches Ziel wollen Sie noch erreichen?
In Anlehnung an das oben angeführte Zitat von Jaspers: Von Tag zu Tag den Ursprung wacher werden lassen!
Herzlichen Dank für Ihre Antworten!
Zur Person: Dr. Martin STOWASSER, geb. 1959, ist a. o. Univ. Prof. für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Nach dem Studium in Rom und Wien hat er sich 2001 für das Fach Neutestamentliche Bibelwissenschaft habilitiert. Er ist Mitglied in internationalen wissenschaftlichen Gremien und Autor zahlreicher Publikationen zu den Schriften des Neuen Testaments; einige seiner exegetischtheologischen Kommentare der Evangelientexte für die Sonntage und Hochfeste sind unter www.perikopen.de nachzulesen. Seit vielen Jahren lehrt er bei den THEOLOGISCHEN KURSEN Neues Testament.